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Foto von Sjoerd Derine

„Why Change?“  – Die Krise Tanzen

Wir leben in einer Zeit der Krisen, die unsere Wertvorstellungen und Lebensgewohnheiten in Frage stellen. Was macht das mit uns als Menschen? Wie gehen wir damit um, wenn das Gewohnte, der Alltag an den wir angepasst sind, wegbricht? Versuchen die Trümmer wieder aufzubauen und klammern uns fest an dem, was einmal war, oder gehen wir durch einen konstanten Prozess der Veränderung, in dem wir uns selbst neu erschaffen müssen…

Mit diesem Thema hat sich das Kollektiv Merle Mischke Klee auseinander gesetzt und die Performance „Why change? Are you not okay with how things are?“ auf die Bühne des Werftparktheaters in Kiel gebracht. Mit involviert waren die Modedesignerinnen und bildenden Künstlerinnen Guusje de Bruin und Sarah Kerbosch. In der Perfomance kommt es also zu einer Verbindung unterschiedlicher Gestaltungsarten. Es handelt sich um eine Mischung aus Tanz, Stimmperformance unter der Einbeziehung von Stofflichkeit und Farbe.

Zuerst ist da ein wohliges, warmes Orange, das über den Boden ausgebreitet den Raum flutet. Die Performer bilden sich mittels Seilen Unterschlupf aus dem seidigen Fallschirmstoff. Sie tanzen zu zweit, Mann und Frau, das Gewicht des anderen tragend, in ihrer Kraft ausgewogen. Es ist ein Bild von erstaunlicher Bewegungsfähigkeit und gleichzeitiger Harmonie. Begleitet wird diese von der märchenhaften Geschichte einer verwandelten Kitsune, einer japanischen Füchsin, die einen Menschen liebt. Doch dann erfasst eine Art Sturm die Szenerie, alles wird zerstört. Was bleibt ist weiße leere und die Akteure, die schlagartig damit konfrontiert sind. Aus der Harmonie werden Alleingänge, tänzerischer Wahnsinn und was zuerst zusammen spielte ist nun skurril zueinander versetzt. Als wollten die Teile nicht mehr recht zusammen passen. Was bleibt ist ein Gefühl von Innehalten, Verstört sein und… dem Wunsch nach einem Neuanfang, der auf sich warten lässt. Gegenwärtig ist nur die Veränderung.

Ich hatte das große Glück über das Institut für Gymnastik und Tanz in Kiel an einem Vorab-Workshop zu „Why Change“ teilzunehmen. Wir beschäftigten uns dort in der Art des Modern Dance mit unserem Körpergefühl, sowie unserer eigenen Wandlungsfähigkeit.

Du steht in einem Raum. Das erste Bild, das dir in den Sinn kommt, führst du aus. Alltagshandlungen, Gefühle, Farben. Stelle alles dar, was du in einem wilden Anfall von Brainstorming zutage förderst. Kein Anhalten, nur ein kreativer Fluss konstanter Veränderung. Alle um dich herum springen, werfen sich zu Boden oder führen einen imaginären Hund aus. Der ganze Übungssaal scheint verrückt geworden zu sein. Es gibt keine Grenzen mehr, nur den Flow der Ideen in einer impulsiven Körperlichkeit.

Der Workshop hat ein gewisses Gefühl für die Thematik vermittelt, für den künstlerischen Zugang und die Selbsterfahrung, die es erfordert, in einer unaufhaltsamen Veränderung zu sein. Und sich wirklich auf den Prozess einzulassen. Durch dieses Verständnis war es leichter, in die Performance als Zuschauer einzutauchen und sich dem Gefühl, das sie vermittelte zu öffnen. Es war ein Gefühl, dass spätestens seit Corona, wahrscheinlich aber auch durch persönliche Krisen und lebensverändernde Momente, jeder nachvollziehen kann. Daher hatte es einen umso stärkeren Nachhallt, nachdem die Perfomance beendet war und man als Zuschauer mit seiner aufgewühlten Betroffenheit zurück gelassen wurde. Mit der Sehnsucht nach diesem warmen, wohligen Orange und seiner Stofflichkeit, das eine Atmosphäre der Geborgenheit zumindest als Erinnerung zurück gelassen hat.

Foto von Ina Steinhusen

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