Warum ich Hautfarbe SEHE…

Es ist eine Utopie: Eine Welt, in der die Hautfarbe, ein fremd klingender Name oder auch ein Akzent keine Rolle spielen. Und ich wünsche mir sehr, dass wir genau das als Gesellschaft erreichen. Möglichst bald! Nun stellt sich jedoch die Frage nach dem Wie.

Es gibt Menschen, die sagen, der schnellste Weg dorthin sei,  Hautfarbe schlicht zu ignorieren. Was bedeutet: Keine Maßnahmen im Sinne einer Identitätspolitik zu ergreifen. „Ich sehe keine Hautfarbe, kein Geschlecht, usw.“ meint häufig: Identitätspolitik ist ein Fehler, da sie Menschen ungleicher macht, nicht gleicher.  Aber ist das wirklich der Fall?

„Woher kommst Du?“

Einfach die Hautfarbe eines Menschen ignorieren und alle Probleme verschwinden? Es wäre schön, wenn es so einfach wäre. Denn wer die Hautfarbe eines Menschen einfach nur ignoriert, der handelt auch nicht gegen die Nachteile, die diesen Menschen gesellschaftlich betreffen. Zumal: Wenn die Hautfarbe für einen nichts Negatives wäre- wieso müsste man sie dann ignorieren? Es fängt schon da an, dass ein weißer Mensch eben nicht gesagt bekommt: Ich sehe gar nicht, dass du weiß bist!
Ähnlich, wie die für weiße Menschen ganz normale Frage: Wo kommst du her? Für weiße Deutsche bedeutet dies, dass sich der Fragende, mit einer Antwort wie „Bielefeld!“ zufrieden gibt. Für People of Colour bedeutet es aber ein ewiges Nachbohren nach den ethnischen Wurzeln verbunden mit der Frage, was man überhaupt in Deutschland mache. Und das selbst wenn man hier geboren ist und genauso deutsch, vielleicht sogar noch mehr- nur eben schwarz.

Es mag ja nicht mal böse gemeint sein, aber darauf kommt es nicht an: bei Diskriminierung ist nicht darauf abzustellen, ob der Diskriminierende es böse meint. Es kommt auf die Verletzung an, die dadurch beim Betroffenen entsteht. Und nicht jeder der rassistisch denkt oder handelt ist ein „Rassist“ – diese seltsam fremde Gattung Mensch, mit der wir guten Büger bloß nichts zu tun haben! Nein, er ist schlicht weg rassistisch sozialisiert. Und transportiert diesen gesellschaftlich tradierten Rassismus weiter, wenn er sich nicht kritisch mit sich selbst und seinen Einstellungen auseinander setzt.

Den Kreis durchbrechen – Aufarbeitung

Das Stichwort an dieser Stelle, das nötig ist: Aufarbeitung. Unsere Gesellschaft ist nach wie vor geprägt von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tatsachen, die geschichtlich gewachsen sind. Besonders relevant scheint mir hier das Erbe des Kolonialismus zu sein, ebenso wie der NS-Zeit. Menschen anderer „Rasse“ galten als weniger wert, als Abschaum, durften Berufe nicht ausüben und wurden wie Dreck behandelt. Noch heute wird gerne vermieden, zu sagen, dass jemand „schwarz“ sei oder „behindert“ oder ein „Jude“. Das hängt damit zusammen, dass diese Merkmale noch heute als Schimpfworte empfunden werden oder sogar benutzt werden. Auch wenn die dunklen Zeiten der Kolonialisierug u.a. längst überwunden scheinen. Es geht nicht darum, jemandem individuell die Schuld zu geben. Es ist ein Sozialisationsproblem, das gewachsen ist.

Aber die rassistisch geprägte Sozialisation eines jeden kann nicht durchbrochen werden, wenn die Geschichte und eigene Sprache, Einstellungen und das erlernte Weltbild, nicht bewusst gemacht und hinterfragt werden.

Der stumme Diener

Und dann passiert es, dass nicht nur die Autorin Tupoka Ogette, sondern auch unsere Ministerin für Soziales in Schleswig-Holstein, Aminata Touré, ein und das selbe erleben: Sie wollen im Theater spielen und bekommen nur eine einzige Rolle zugewiesen: Den stummen Afrikanischen Diener. Ich war entsetzt, als ich das las. Dennoch: Es ist kein einzelnes Schicksal, wie dieses Beispiel klar macht. Menschen, die schwarz sind, wobei ich den Begriff „Schwarz“ benutze, weil es eine Selbstbeschreibung ist und eine Schicksalsgemeinschaft, sind tagtäglich Diskriminierungen ausgesetzt. Egal, wie sehr ich persönlich ignoriere, dass sie schwarz sind – zumal dies auch von schwarzen Menschen als seltsam empfunden wird, da es ja nunmal Tatsache ist (siehe Tupoka Ogette) – es ändert nichts an der Lebensrealität, die schwarze Menschen erfahren.

Die Sprache der Unterdrückung

Ist eine universelle. Sie lässt sich auf unterschiedlichste Menschen mit unterschiedlichen Merkmalen beziehen. So ist die Lebensrealität, die auch die Chancengleichheit betrifft, von Menschen mit dem „falschen“ Geschlecht, der anderen Hautfarbe oder auch mit einer Behinderung (Marco Reschat „Menschen sind  nicht behindert, sie werden behindert!“) sich strukturell ähnlich. Indem man diese Betroffenheit ignoriert, wird der Teufelskreis aus Sozialisation und diskriminierender Handlung keineswegs durchbrochen. In einem weiteren Artikel werde ich mich daher dem Thema Identitätspolitik widmen- und zwar in einer Sichtung von Pro und Contra, konstruktiver Kritik und einer Abwägung diesbezüglich.

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